Rotes Artjournal und 110 Jahre alte Briefmarken
Wo fange ich heute an? Soviele kreative Dinge passieren gerade gleichzeitig auf meinem Tisch, in meinem Kopf, mit meinen Händen. Die erlernten Techniken, welche ich bei Michaela Müller, Kristina Schaper und Tabea Heinicker in präsens oder online kennengelernt habe, vermischen sich. Alles fügt sich langsam zusammen, so ist mein rotes Artjournal ein wildes Sammelsurium aus dem Kreativ Kick-off, Schriftbilder und kreativer Bindetechnik.
Aber jetzt erst einmal der Reihe nach – wie alles begann:
Briefmarken begleiten mich schon mein ganzes Leben lang. In meiner Kindheit habe ich seit ich denken kann die Briefmarken von Umschlägen, Postkarten und Co abgelöst, diese feinsäuberlich auf Tablets und Handtücher zum Trocknen gelegt und bei meinen Großeltern das ganze Wohnzimmer damit blockiert. Danach wurden sie nach Herkunftsland sortiert und in Tütchen gepackt oder in Briefmarkenalben gesteckt. Ich glaube ursprünglich hat mein Opa Otto damit begonnen. Er hatte sich Briefmarken aus der ganzen Welt bringen lassen, oder die abgeschnittenen Ecken von Postkarten tütenweise geschenkt bekommen. Ich kann mich erinnern, dass wir gemeinsam in Österreich auf der Postfiliale bei Herrn Freynschlag waren, um die zurückgelegten Ersttagsbriefe und Münzen abzuholen. Bei der einen oder anderen Philatelieausstellung war ich auch mit ihm. Er war es auch, der mir ein Briefmarkenabonnement mit den Neuerscheinungen zum Geburtstag schenkte, welches ich gefühlt dann 15 Jahre lang hatte…. die vollen Alben stehen bei mir im Regal… Wertvoll sind sie nicht wirklich, aber der emotionale Wert ist ein ganz hoher. Als Kind glaubte ich natürlich auch fest daran, die blaue Mauritius irgendwann zu finden, um dann unendlich reich zu werden… Hab ich erwähnt, dass mein Großvater ein großer Geschichtenerzähler war? Wir uns die tollsten Sachen ausdachten, welche wir mit den Millionen machen würden? …. er wollte unter anderem einen Affen wie Herrn Nilson anschaffen… der strengen Blick meiner Oma und ihr empörtes „Otto, erzähl dem KInd nicht so einen Blödsinn!“ habe ich sofort wieder vor mir.
Die Jahre vergingen und andere Dinge rückten in meinen Fokus, mein Opa starb als ich 15 Jahre alt wurde und mit ihm die Geschichten und Abenteuer der Briefmarkenmillionäre. Vor 7 Jahren folgte ihm meine Oma Lotte hochbetagt mit 94 Jahren. Geerbt haben wir ihr handwerkliches Geschick als Schneidermeisterin, 10.000 Dias und 3 Kisten mit Briefmarken. Die vollständigen Sammelalben gab meine Mutter in ein Philateliehaus zum Verkauf… wer hätte sie denn nochmals 100 Jahre aufheben sollen – und wohin damit…. die losen Marken und Tüten kamen in meinen Besitz.
Und so sitze ich 30 Jahre später wieder da und löse die Briefmarken von den Postkartenecken ab. Zum Teil sind tatsächlich noch uralte Marken dabei. Meine älteste ist von 1908 als die Post in Österreich noch kaiserliche-königliche österreichische Post war. Ein Hauch von Adel in meiner Werkstatt…
Meistens verwende ich nun die Briefmarken in Collagen, oder Artjournals. Auch wenn ich mit Kindern Leinwände verziere und Glitzercollagen gestalte, sind die Briefmarken sehr begehrt. Schließlich sollen sie nicht noch weitere 100 Jahre in der Schublade schlummern. Als nächste möchte ich probieren, ob ich von einigen Marken ein Siebdruckmotiv erstellen kann… dazu werde ich sie erst einmal Digitalisieren… dazu aber zu einem anderen Zeitpunkt mehr.
Kombiniert werden die Briefmarken mit unserem Kick-off Thema aus Kristinas OnlineAtelier: Rot, Spiralen – und verschiedene Künstler Inspirationen. Mehr wird aber nicht verraten, dazu müsst ihr schon Mitglied werden. Und ich gebe es frei heraus zu: mit dem roten Farbtönen habe ich so meine Probleme. Daher lag mein Artjournal auch über den Sommer unberührt im Eck und ich war froh, mich mit der Wasserpost und BlauGrünTönen beschäftigen zu können.
Im September habe ich es nun wieder auf den Arbeitstisch gelegt und als erstes die Seiten, welche mir so gar nicht mehr gefielen, mit dem Gesso des Vergessens überstrichen. Zum Teil nicht deckend, so dass die darunterliegenden Muster und Schichten noch zu sehen waren. Inspiriert von Tabeas OnlineKurs habe ich mir rote und orangefarbenen Felder und Formen über das Gesso gemalt. Langsam wird es…. besser….
Ich taste mich heran, an Kombinationen mit Rottönen. Dabei stellt sich heraus, dass mir Rot mit Lila und Sepia ganz gut gefällt, während ich Rot und Orange bis Gelb so gar nicht mag. Eigenartig, nicht? Und immer wieder komme ich zurück zu den Spiralen, variiere von schnellen Spiralen, zu langsamen, großen Abständen und engen. Versuche mit der linken Hand scheitern kläglich…. Da ist mein Gehirn überfordert. Da bleibe ich dran, mal sehen, wie sich die Fertigkeit des Spiralenzeichnens noch verändert…. Steigert es wirklich meine Konzentration? Bringt es mich zu Ruhe? Auf alle Fälle hilft es bei Ideenlosigkeit… Ich weiß nicht, was ich zeichnen soll? – Spiralen….
Dazwischen gibt es immer wieder Schriftübungen, werden Tuschefedern getestet, Schriften verändert… immer noch auf der Suche nach dem perfekten Ssß…
Wir das jemals ein Künstlerbuch? Bleibt es ein Junkjournal? Ein Übungsheft? ich weiß es nicht. Im Moment ist es eine rote Spielwiese, die aus einem großen Patchworkpapierbogen entstand und sich immer wieder verändert. Nichts muss, alles kann…
Als Abschluss möchte ich euch ein Gedicht aufschreiben, welches in meinem Poesiealbum steht:
Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm geweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens.
Joachim Ringelnatz
Wieviel männliche Briefmarks sich wohl schon in Postkünstlerinnen verliebt haben? Bevor sie sich auf die Reise gemacht haben?
Rotgekringelte Spiralgrüße
Eure Tanja
Liebe Tanja
Dir werden die Briefmarken nie ausgehen! Viele Projekte liegen vor dir! Toll, wie du aus diversen Ecken Gelernte kombinierst! Besonder freue ich mich natürlich über deine Handschrift in Aktion 🙂
Liebe Grüße von Tabea
Liebe Tanja,
Das hast du alles wunderbar erzählt und ganz vieles kann ich auch von mir bestätigen. Dankeschön.
Liebe Grüße Karla
Liebe Tanja!
Danke fürs Erzählen deiner Briefmarken-Geschichte! Wie schön, dass diese fortgesponnen wird. Und Danke für deine Rot-Spiralen-Einblicke … Mir geht es da recht ähnlich, Rot funktioniert bei mir sehr gut als Ergänzung zu Anderem, aber Rot in Rot liegt mir nicht. Obwohl ich es gerne anschaue. Echt ulkig.
Deinen Blog habe ich gerade abonniert, sodass ich nichts verpasse.
Herzlich + auf bald
Claudia
Liebe Tanja, das ist eine ganz feine Briefmarken-Geschichte. So viele Erinnerungen hängen daran und so schön, was du daraus machst und wie sich alles miteinander verbindet.
Wünsche dir einen feinen Mittwoch… kommt man Mittwochs überhaupt noch zu was, außer Bloglesen?
Liebe Grüße
Michaela